Julia Laabs
Hinweis der Wählergruppe Die aNDERE: Unsere Fraktion arbeitet seit vielen Jahren nach dem Rotationsprinzip. Die Stadtverordneten geben nach einem Jahr ihre Mandate an Nachrücker*innen weiter. Die Antworten wurden deshalb nicht allein von den auf Listenplatz 1-3 genannten Personen erarbeitet, sondern von der Wählergruppe DIE aNDERE insgesamt.
Antworten von Die aNDERE als Wählergruppe:
Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?
Klimaschutz und Klimawandel haben in unserer Arbeit eine hohe Priorität. Zahlreiche Beschlüsse der SVV dazu wurden auf Initiative unserer Fraktion gefasst. So beispielsweise die Beschlüsse zum Klimanotstand, zur Baumschutzverordnung, zur Holzbauweise und zuletzt zu „Fossilfrei im Strom- und Wärmesektor bis 2035“. Leider hat die bestehende Rathauskooperation oftmals die Intention einiger Anträge aufgeweicht oder gar ins Unwirksame verkehrt. Auch lässt die Umsetzung zahlreicher Beschlüsse durch die Verwaltung zu wünschen übrig.
Die LHP hat ein Klimaschutzkonzept, ein Anpassungskonzept und viele andere richtige Beschlüsse und Konzepte. Es mangelt jedoch an der Umsetzung oder der vorausschauenden Planung. Immer noch werden Baugebiete ausgewiesen, ohne Festsetzungen eines ambitionierten Wärmedämmstandards und Klimaschutzes.
Durch die Umwandlung von Verkehrs- in Grünflächen können wir Hitzeinseln reduzieren, die Luftqualität verbessern, Überflutungen vorbeugen, die Versickerung von Niederschlagswasser ermöglichen, die Biodiversität fördern und das Stadtbild verschönern. Dies erfordert eine ganzheitliche Stadtplanung und die Zusammenarbeit verschiedener Akteure, um gesündere, grünere und lebenswertere städtische Lebensräume zu schaffen.
Uns ist vollkommen klar, dass die Auswirkungen des Klimawandels die Kommunen, und auch die Landeshauptstadt Potsdam im Speziellen treffen wird. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass die Weichenstellungen für einen wirksamen Klimaschutz und zur Abmilderung der Auswirkungen auf Landes- und Bundesebene erfolgen müssen. Ohne den rechtlichen und finanziellen Rückhalt können die Kommunen nicht zeitgleich die Energie-, Bau- und Verkehrswende umsetzen und gleichzeitig sozial gerecht abfedern. Das gesamtgesellschaftliche Ziel Klimaschutz muss auch von der Gesellschaft im Ganzen und nicht allein von den Endkunden, den Mieterinnen oder den Fahrgästen bezahlt werden.
Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?
Wir glauben nicht, dass die Stadtgesellschaft durch Photovoltaik-Anlagen dekarbonisiert wird. Wir wissen aber, dass die dachgebundene PV sehr wohl einen Beitrag zur Dekarbonisierung unseres Energieverbrauchs leisten kann. Weiterhin kann sie ein Baustein in der Mitwirkung und Teilhabe der Bürger:innen bei der Energiewende sein. Um dies zu erreichen, muss eine Abwägung mit anderen Schutzgütern, wie dem Denkmalschutz, geführt werden und es müssen einfachere Regelungen zur Eigenstromversorgung aufgestellt werden. Nicht jede Sichtachse ist ein Versagungsgrund für PV-Anlagen. Auch für denkmalgeschützte Gebäude gibt es gute integrative PV-Lösungen.
Leider sind wir auch hier im Wesentlichen auf Änderungen des Landes- und Bundesrechts angewiesen. Ungeachtet dessen sollten Initiativen von Bürger:innen durch die Verwaltung, die EWPund die Pro Potsdam unterstützt werden, die kooperativ oder genossenschaftlich Dachanlagen zur solaren Strom- oder Wärmeerzeugung betreiben wollen. Wir werden weiterhin unsere Einflussmöglichkeiten in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften auch für derartige Anliegen nutzen.
Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam.? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?
Die Herausforderungen können als Risiken beschrieben werden. Ungesicherte Finanzierungen und schwankende Interessenlagen in der Stadtpolitik, fehlende Zielabstimmung und Zauderei der Entscheidungsträger:innen können nicht nur den Ausbau gefährden, sondern auch dazu führen, dass die Stadt gezwungen ist, weiteres Fremdkapital, gepaart mit zielfremden Interessen, aufzunehmen. Dies kann den Ausverkauf der städtischen Betriebe und somit den Verlust von Einflussmöglichkeiten zur Folge haben. Da die Umsetzung der Energiewende zeitlich und finanziell mit anderen Anliegen des Klimaschutzes und der Transformation konkurriert, sind verlässliche Rahmenbedingungen und staatliche Finanzierungshilfen notwendig. Gleichzeitig ist der Stadtwerkeverbund und viel Kreativität der Verantwortlichen gefordert. Wir werden auch weiterhin unsere Einflussmöglichkeiten in den Aufsichtsräten der städtischen Gesellschaften auch für den Ausbau der erneuerbaren Energien geltend machen. Der EE-Ausbau bietet die große Chance, dass die Potsdamer:innen an der Energiewende teilhaben können. Vor allem finanziell. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es einen fairen Lastenausgleich für die Ortsteile gibt, in denen Windkraft- und Photovoltaikanlagen entstehen.
Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürgern bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?
Die fossilfreie Erzeugung der Energie ist der Schlüssel zur sozialen Abfederung der Kosten der Wärmewende. Sie setzt sich zusammen aus der Dekarbonisierung der Erzeugung und der Sanierung des Gebäudebestandes – also der Minderung des Energieverbrauchs.
^Die kommunale Wärmeplanung ist der größte Hebel für Planungssicherheit. Sie muss schnell Antworten auf die Frage nach der Zukunft der Fern- und Nahwärmenetze liefern. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet die EWP mit Hochdruck an der Zulieferung qualitativ hochwertiger Grundlagendaten, damit die nächsten Schritte der Wärmeplanung reibungslos begonnen werden können. Im Anschluss daran müssen die städtischen Betriebe und die Wohnungswirtschaft einen Umsetzungs- bzw. Transformationsplan erarbeiten. Nur dadurch entsteht die gewünschte Planungssicherheit und Passfähigkeit zum wohnungspolitischen Konzept der Stadt.
Die fossilfreie Erzeugung durch den Versorger trägt erheblich dazu bei, dass die Investitionen der Gebäudeeigentümer:innen in die energetische Sanierung geringer ausfallen. Sie muss aber geschehen und darf nicht mit Verweis auf die geänderte Erzeugung ausbleiben. Beide Seiten bedingen einander.
Parallel dazu muss seitens der Gesetzgeber:in eine neue Lastenverteilung geregelt werden. Das gesellschaftliche Ziel des Klimaschutzes und der Ressourcenunabhängigkeit kann nicht allein von dem Mieter:innen bezahlt werden. Es müssen dringend die Modernisierungsumlage und Wertsteigerungen der Gebäude für die Eigentümer neu gedacht werden.
Weder der Umbau der Erzeugung, noch die energetische Sanierung der Gebäude müssen und dürfen zu einer Erhöhung der Warmmieten führen. Klimaschutz und Sozialverträglichkeit sind kein Widerspruch, wenn die Schwerpunkte der Gesellschaft und die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden.
Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?
Ergänzend zur Antwort auf Frage 4 ist anzumerken, dass die Stadt Potsdam schon seit Jahren die wohnungspolitischen Schwerpunkte falsch setzt. Permanenter Neubau ist keine Antwort auf die Notwendigkeiten des sozialverträglichen Bauens und des Klimaschutzes. Neben der dringend notwendigen Überarbeitung der Regeln zur sozialen Bindung auf Bundesebene ist es notwendig, die bestehenden Instrumente und Ressourcen zu nutzen. In Krampnitz wurden allein durch die Wahl der Deutschen Wohnen AG als Partnerin gravierende Fehler gemacht. Soziale Bindungen und Auflagen werden Stück für Stück vom privaten Investor auf die Pro Potsdam übertragen, während andere die Rendite optimieren.
Aber auch der Umgang mit dem Staudenhof zeigt, dass die Möglichkeiten, Klimaschutz bei der bedarfsgerechten Sanierung im Bestand umzusetzen, in Potsdam noch immer vergeben werden. Durch den Abriss des sanierbaren Wohngebäudes entsteht nicht nur ein Millionenschaden für die Pro Potsdam, sondern es wird auch viel „Graue Energie“ vernichtet, Hier werden trotz großer Nachfrage kleine Wohnungen mit geringem Energiebedarf in zentraler Lage abgerissen – während gleichzeitig der gestiegene Pro-Kopf-Bedarf an Wohnraum als gravierendes Problem der Wohnraumversorgung in der Stadt beklagt wird. Sanierung im Bestand ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen, um die beiden Zielstellungen Klimaschutz und kommunale Daseinsvorsorge im Wohnungsbereich zu vereinen.
Der Umbau von leerstehenden Gewerbeimmobilien zu flexiblen, bedarfsgerechten Wohnungen ist auch eine Möglichkeit, die bisher nicht genutzt wird. Die strikte Ahndung von Wohnungsumnutzungen zu gewerblichen Zwecken (z.B. Ferienwohnungen, AirBnb, Wohnen auf Zeit) würde die Wohnungssituation völlig klimaneutral verbessern. Der Verzicht auf Mieterhöhungen mit Bezug auf den steigenden Mietspiegel (die ohne jegliche Gegenleistung erfolgen), wäre ebenfalls eine Maßnahme, den Mietmarkt sozial zu stabilisieren. Solche Maßnahmen sind klimaneutral umsetzbar. Der Fetisch der Aufrechterhaltung des permanenten Zyklus aus Abriss und Neubau verursacht hingegen gigantische Klimaschäden, auch wenn diese nicht in der kommunalen Bilanz auftauchen.
Grundsätzlich kann an dieser Stelle angemerkt werden, das weder Klimaschutz noch soziale Gerechtigkeit Wesensmerkmale einer kapitalistischen Gesellschaft sind. Der Markt senkt weder die Miete noch die Klimagasemissionen.
Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?
Aus unserer Sicht ist für den Klimaschutz wenig getan, wenn Verkehrspolitik besonders auf die Innenstadt fokussiert. Mit dem Innenstadtverkehrskonzept und dem Konzept „Innenstadt – Straßenräume neu denken!“ wurden viele gute Maßnahmen auf den Weg gebracht, die auch erst einmal umgesetzt werden müssen. Leider haben die Stadtverwaltung und die Fraktionen der Rathauskooperation allerdings die Chance verpasst, das gesamte Holländische Viertel zur Fußgängerzone zu machen. Hier hätte ein Modellprojekt mit Ausstrahlungskraft und Vorbildcharakter entstehen können.
Um den Fuß- und Radverkehr als attraktive Alternativen zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam zu fördern, bedarf es einer Vielzahl von Maßnahmen, die sowohl die Infrastruktur als auch die Stadtplanung betreffen. Der Ausbau von Radwegen und Fußgängerzonen ist von entscheidender Bedeutung. Dies beinhaltet nicht nur die Schaffung neuer Wege, sondern auch die Verbesserung der bestehenden Infrastruktur, um ein durchgängiges Netzwerk zu schaffen.
Die Priorisierung des Fuß- und Radverkehrs muss in der Haushaltsplanung sichtbar werden, damit beispielsweise der Radwegeausbau (Priorität 1 und 2) deutlich beschleunigt wird.
Zusätzlich dazu ist die Schaffung von sicheren und ansprechenden Verbindungen ein wichtiger Aspekt. Dies umfasst die Gestaltung von Kreuzungen und Straßenübergängen, um die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrerinnen zu gewährleisten, sowie die Entwicklung attraktiver Routen, die angenehme Fahrerlebnisse bieten.
Daher sind dies Aspekte, die bei der Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzeptes Verkehr und des Radverkehrskonzeptes unbedingt zu beachten sind. Eine ganzheitliche Verkehrspolitik, die den Fuß- und Radverkehr priorisiert, kann nicht nur dazu beitragen, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern, sondern auch den CO2-Ausstoß durch den Individualverkehr reduzieren und eine nachhaltige Mobilität fördern.
Die Umgestaltung und Reduzierung von Parkplätzen im öffentlichen Raum ist eine wirksame Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel.
Des Weiteren sollten verschiedene Veranstaltungen und Initiativen gefördert werden, die das Bewusstsein für den Fuß- und Radverkehr steigern und die Menschen ermutigen, diese Fortbewegungsmittel zu nutzen. Dazu gehören beispielsweise Fahrradfestivals, Mobilitätswochen und Schulungen zur Verkehrssicherheit.