Eva Wieczorek

Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?

Die Stadt Potsdam hatte lange Zeit Konzepte – mit dem PIK (Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung) erarbeitet. Schließlich hatte der Oberbürgermeister Schubert (SPD) sogar mit den Jugendlichen von Fridays for future den „Klimanotstand“ für Potsdam ausgerufen. Diese Konzepte lagen aber lange Zeit „in der Schublade“, ohne wirklich wirksame Maßnahmen, die darin vorgeschlagen wurden, in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Relevante Schritte, um der zunehmenden Erderwärmung wirklich entgegenzutreten, wurden erst allmählich realisiert. Ich habe mich seit Jahren mit diesen Herausforderungen intensiv befasst und bin immer wieder aktiv geworden…Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima gründete ich die Klimadialoge in der URANIA und lud Experten wie Franz Alt ein mit dem Vortrag: „Die Sonne schickt keine Rechnung“. Im Weiteren wirkte ich im Klimarat mit zu Schwerpunkten wie „Öffentlichkeitsarbeit“ usw., denn es war klar, dass wir die Bürger*Innen informieren und mitnehmen müssen. Auswirkungen – auch für Potsdam – bestehen z. B. durch die Zunahme von Extremwettern (PIK prognostizierte dies schon vor etlichen Jahren)…Und die zunehmende Wärme und Trockenheit setzen der Landwirtschaft und Wasserhaushalten auch in unserem Umfeld zu. Außerdem sind wichtige Anbaugebiete in Europa und weltweit gefährdet, so dass sich Nahrungsmittelprobleme verstärken und wir auch mit zunehmenden Flüchtlingsströmen rechnen müssen. Ich werde weiterhin mein Engagement in diesem Bereich breit einsetzen…Sei es in der Kommunalpolitik, AG Klimaschutz, Potsdam AUTOFREI, der AG Rad vom Rathaus, bei Demos und anderswo.

Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?

Die Dach-PV-Anlagen und Balkon-Anlagen müssen unbedingt weiter ausgebaut werden, zumal wir mit weiterhin steigenden Energieverbräuchen rechnen müssen. Die öffentlichen Gebäude müssen stärker diesbezüglich ertüchtigt werden und die Bürgerschaft muss entsprechend informiert und beraten werden. Die Belange des Denkmalschutzes sind nachrangiger zu behandeln außer bei den Schlössern und zentralen historischen Gebäuden wie in den Parks oder am Alten Markt.

Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam.? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?

Dieser Beschluss der StVV ist zu begrüßen und die regenerative Stromversorgung sowie Fernwärme und andere Möglichkeiten der sozialverträglichen und klimaneutralen Wärmeversorgung (je nach Quartiers-Situation) muss zügig umgesetzt werden. Wegen der großen Herausforderungen technischer und finanzieller Art sind auch die Bürger*Innen frühzeitig zu informieren und einzubeziehen… Bürgerversammlungen, Bürger-Räte u. ä. Zur Realisierung der verschiedenen Quartiers-Lösungen müssen Stadtpolitik und Verwaltung die Personal- und Finanzressourcen bereitstellen, denn eine Verzögerung und ein Abwarten würde zunehmende Kosten bedeuten…könnte auch die Förderung durch Landes- und Bundesmitteln, die jetzt noch möglich sind, gefährden.

Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürgern bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?

Wie bereits unter Frage 3 angeführt, müssen die Bürger*innen frühzeitig informiert, beraten und beteiligt werden. Da ich die Initiative BraVo Wärmewende für die Brandenburger Vorstadt mit gegründet habe, weiß ich, wie sehr sich die Menschen mit ihren Fragen und Problemen hier einbringen und viele auch bereit sind, sich zu beteiligen. In unseren alten, vielfach wenig in Bezug auf Wärmedämmung usw. sanierten Stadtquartieren kann eine Entwicklungsmaßnahme zur „energetischen Stadtteilsanierung“ sehr unterstützend sein. Ein entsprechendes Modellprojekt z. B. in der Brandenburger Vorstadt, dass dann eine Anbindung an zunehmend sozialverträgliche und klimaneutrale Fern- oder Nahwärme ermöglicht, könnte auch ermutigend für andere Viertel sein und Erfahrungen weitergeben. Wenn sich dann möglichst viele Anlieger anschließen, werden auch die Kosten geringer. Die EWP hat entsprechende mögliche Entwicklungspfade bis 2045 vorgestellt.

Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?

In den einleitenden Sätzen klingen ja bereits Lösungsansätze an…Dazu gehört vielleicht auch, dass die Menschen – wo möglich – Sparsamkeit mit bedenken… Und Menschen aus großen Wohnungen bereiter werden, z. B. nach Auszug erwachsener Kinder in kleinere Wohnungen umzuziehen…Tauschbörse wurde bereits angeboten…Des Weiteren müssen Bestandsbauten erhalten und weiter klimarelevant saniert werden. Bei Neubauten darf nicht mehr soviel Beton verwandt werden, es müssen Baustoffe wie Holz, Lehm u. ä. ebenso berücksichtigt werden wie niedrige Energie-Standards und beispielsweise Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern.

Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?

In der AG Klimaschutz von Bündnis 90/ Die Grünen befassten wir uns seit längerem mit dem gewünschten Ausbau von Radwegen und Konzepten zur autofreieren Innenstadt. Wir haben z. B. mit vielen jungen Familien, die vorbildlich alles mit dem Fahrrad bewältigen, schon auf etlichen Demos die Erfordernisse verdeutlicht. Wir brauchen einerseits z. B. für Berufspendler, die teilweise größere Strecken mit dem Rad zurücklegen, die Fahrrad- Schnellstrecken, z. B. von den Hochschulen und Wohngebieten zu Bahnhöfen oder größeren Arbeitgebern. Schon lange werbe ich für eine Test-ArbeitnehmerMonatskarte für den ÖPNV, die teilweise von den großen Betrieben und Einrichtungen, die dann keine Parkplätze mehr vorhalten müssen, mit bezahlt wird. Wie wir feststellen, müssen FahrradAbstellmöglichkeiten an Bahnhöfen und in der Innenstadt immer wieder erweitert werden … was ein gutes Zeichen ist. Wir brauchen auch im alten Innenstadtbereich mit teilweise für Fußgänger, Radfahrende, Menschen mit Rollator usw. statt dem nicht zu bewältigenden Kopfsteinpflaster bessere Wege bzw. Fahrbahnstreifen, die eine angemessene Oberfläche haben. In absehbarer Zeit wird auch –zusätzlich zur Friedrich-Ebert-Straße – eine weitere Nord- SüdQuerung für Radfahrende erforderlich, wie auch Experten aus dem Rathaus äußern. Die Autofahrer*innen, die vom Umland ins Stadtzentrum kommen, kann man weiträumig an den großen Stadteingängen schon sehr viel sichtbarer einladen, ihre Autos auf den Park- and RidePlätzen (z. B. Baumgartenbrück u.v.m.) stehen zu lassen und entspannt mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu kommen. Schön, dass manche diese guten Möglichkeiten bereits nutzen. Vielleicht könnten sich große Geschäfte z. B. in der Adventszeit an der Finanzierung von verbilligten Park- and Ride-Tickets beteiligen zum Anreiz.