Michell Domschke

Dies sind die Antworten von BVB / FREIE WÄHLER als Wählergruppe

Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?

Oberste Priorität haben für uns die grundlegenden Aufgaben der Kommune, also beispielsweise Wasser, Abwasser, Bildung, Verkehr, ÖPNV, Sport- und Naherholung. Klimawandel ist ein globales Problem, das nicht von einer einzigen Kommune im Alleingang bewältigt werden kann. Entsprechend sind hier übergeordnete Ebenen gefragt. Insbesondere die EU hat mit dem Emissionsrechtehandel EU-ETS seit Jahren wirksame Maßnahmen zur Begrenzung der Emissionen ergriffen. In einem solchen Cap-and-Trade System sind punktuelle Förderprogramme jedoch sinnlos, da sich dadurch die ausgegebene Menge an Emissionsrechten der übergeordneten Ebene nicht ändert. Man verlagert lediglich die Emissionen – und das oft zu übermäßigen Kosten. Wenn die Emissionen stärker gesenkt werden sollen, als aktuell von der EU vorgesehen, muss daher die Menge der Emissionsrechte auf EU-Ebene stärker reduziert werden. Entsprechend sehen wir kleinteilige, bürokratische Förderprogramme auf kommunaler Ebene kritisch, zumal die Stadt Potsdam in einer schweren Haushaltskrise steckt.

(Hinweis: Zur Sinnlosigkeit von Subventionen innerhalb von Cap-and-trade-Systemen siehe auch Einschätzung des IPCC: Climate Change 2014 Mitigation of Climate Change Working Group III Contribution to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Seite 94; das grundlegende Problem von Subventionen innerhalb eines Cap-and-trade-Systems wird zudem in Punkt 15.7.3.2 auf den Seiten 1181 und 1182 an einem Beispiel beschrieben.)

Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?

BVB / FREIE WÄHLER hält Dach-Photovoltaik für einen sinnvollen Beitrag zu einer emissionsarmen Energieversorgung. Sie ist zwar zu erst einmal teurer als Freiflächen-Photovoltaik, entzieht aber Landwirtschaft, Natur oder Naherholung keine Flächen. Aufgrund der Verbrauchernähe verlangt sie auch keinen teuren Netzausbau. Entsprechend sollte Dach-Photovoltaik durch Bürokratieabbau stärker gefördert werden. Hierfür müssen vor allem die Genehmigungs- und Anschlussverfahren vereinfacht werden. Ausgenommen werden sollten jedoch denkmalgeschützte Gebäude bzw. Weltkulturerbe-Stätten. Auch für Balkonkraftwerke sollte die Installation vereinfacht werden. Vor allem die Bundesebene muss hier Gesetze und technische Normen anpassen. Bei den Geräten, die in der Anschaffung oft für 300 Euro zu bekommen sind, zeigt sich, dass die Hindernisse nicht finanziell, sondern bürokratisch und juristisch sind. Potsdam ist dabei besonders betroffen. So beharren lokale Groß-Vermieter wie etwa Vonovia auf dem Erhalt der „Ästhetik“ der Plattenbausiedlungen oder verweigern die Installation von Photovoltaikmodulen an Balkonbrüstungen mit Verweis auf angeblich notwendige statische Gutachten. Und die Netzgesellschaft Potsdam ist bezüglich Balkonkraftwerken einer der schikanösesten Netzbetreiber in ganz Deutschland. Dass die Stadt Potsdam ein finanzielles Förderprogramm für Balkonkraftwerke aufsetzte, während die Mehrheit der Mieter diese bis heute nicht installieren darf und der stadteigene Netzbetreiber auf von zertifizierten Elektrofachbetrieben installierten Spezialsteckern beharrt, ist eine der Absurditäten Potsdamer Politik.

(Hinweis: https://www.maz-online.de/lokales/potsdam/solaranlage-zuhause-mitgelieferter-stecker-wird-von-netzgesellschaften-nicht-erlaubt-DUIXLAIYI2I7CQF7F5V3BDMGIE.html sowie https://www.tagesspiegel.de/potsdam/ein-schuko-stecker-reicht-nicht-so-schliessen-sie-in-potsdam-ein-balkonkraftwerk-an-9306056.html)

Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam.? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?

Potsdam hat als dicht besiedelte Stadt im Flachland nur begrenzte Möglichkeiten zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Sinnvoller ist hier eine Anpassung an die schwankende Verfügbarkeit von Elektroenergie aus den Windkraft- und Photovoltaikanlagen im Umland. Ein Weg ist die Zwischenspeicherung von überschüssiger erneuerbarer Energie durch Umwandlung und Speicherung in Form von Wärme. Im Gegensatz zu Batterien ist dies bereits heute zu vertretbaren Kosten möglich. Die Stadtwerke Potsdam sind hier mit dem Heizkraftwerk Potsdam Süd und seinem 1.200 MWh großen Wärmespeicher einer der Vorreiter in Brandenburg. Ein weiterer Schritt wäre die flexible Verstromung von Biogas aus Klär- und Kompostieranlagen. Hierdurch würde anfallendes Biogas nicht mehr wie bisher üblich kontinuierlich in Strom und Wärme umgewandelt, sondern zwischengespeichert. Das gesammelte Biogas wird erst dann zur Produktion von Strom und Wärme verwendet, wenn andere Erneuerbare zu wenig Elektroenergie liefern, etwa bei Dunkelflaute.

Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürgern bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?

Das auf Bundesebene beschlossene Gebäudeenergiegesetz halten wir für unsozial und lehnen es ab. Die Zwangsmaßnahmen führen nur zu einem gigantischen Sanierungsbedarf innerhalb kürzester Zeit, den das Handwerk kapazitätsmäßig gar nicht umsetzen kann. Das Resultat sind explodierende Kosten und immer teurer werdendes Wohnen. Die langfristig steigenden Kosten für fossile Energieträger bieten genug Anreiz, langfristig umzustellen.

Die Stadt Potsdam und die Stadtwerke müssen im Rahmen der Wärmeplanung prüfen, was in den einzelnen Ortsteilen möglich ist. Da die Stadt recht dicht besiedelt ist, können vermutlich in fast allen Ortsteilen relativ kostengünstige Angebote für Fernwärme gemacht werden. Und Fernwärme lässt sich – im Gegensatz zu Elektroenergie – kostengünstig zwischenspeichern. Hierdurch könnte Potsdam die wetterbedingten Schwankungen beim Stromangebot (Windkraft, Photovoltaik) und Strompreis nutzen. Es sind Synergien möglich, die am Ende billiger kommen, als die Stromnetze auszubauen und vor jedes Haus zwangsweise eine Wärmepumpe zu setzen. Wir werden die derzeit in Vorbereitung befindliche kommunale Wärmeplanung der Stadt diesbezüglich unter die Lupe nehmen und nachsteuern.

Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?

Hierbei kommt es vor allem auf eine bezahlbare Fernwärmeversorgung an. Die Verwendung überschüssiger Elektroenergie in sonnen- oder windreichen Zeiten, gegebenenfalls in Verbindung mit Geothermie und Großwärmepumpen und der flexiblere Einsatz von Biogas ist hier ein plausibler Weg, den die Stadt erproben sollte. Entscheidend ist aber, dass der Preis für Fernwärme nicht noch mehr durch die Decke geht. Wenn sich dies nicht umsetzen lässt, sind wir eher dafür, überzogene Klimaschutzziele zurückzunehmen, als die sozial Schwachen frieren zu lassen.

Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?

Das Radwegenetz in Potsdam ist noch immer lückenhaft. Zu oft sind Radfahrer gezwungen, auf Fußwege oder Straßen auszuweichen und kommen dort in Konflikt mit Fußgängern und dem motorisierten Straßenverkehr. Die Lücken des Radwegenetzes müssen daher geschlossen werden. Auf vielen Strecken wäre Platz, es würde dort schon reichen, durch farbliche Markierung klar einen Radweg auszuweisen. Zudem ist Potsdam relativ zur Einwohnerzahl eine der am stärksten von Fahrraddiebstahl betroffenen Städte in Deutschland. Der Diebstahl muss ernsthaft bekämpft werden. Wenn Fahrräder seltener gestohlen werden, würden auch mehr Bürger Fahrräder nutzen.