Lars Gindele
Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?
Bereits heute sind sehr unterschiedliche Folgen des Klimawandels auch in Potsdam spürbar und die Herausforderungen für die Stadt werden in den nächsten Jahren enorm sein.
- Sei es durch die Hitzebelastung und Extremtemperaturen, die insbesondere für ältere Menschen zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
- Auf der anderen Seite müssen wir durch Starkregen immer häufiger auch mit Überschwemmungen rechnen, insbesondere dort, wo durch Straßen und Flächenversiegelung eine ausreichende Versickerung oder schnelle Entwässerung nicht möglich ist.
- Und wir mussten in den letzten Jahren fast überall in Potsdam und Brandenburg sinkende Grundwasserstände beobachten, die für die ausreichende Trinkwasserversorgung und notwendige Bewässerung zu Problemen führen können.
- Aber auch soziale und ökonomische Ungleichheiten werden durch die Folgen des Klimawandels verschärft. Nicht alle Bevölkerungsgruppen können sich gleich gut vor den negativen Folgen des Klimawandels schützen oder davon erholen. Zum Beispiel sind Menschen in schlecht isolierten Häusern mit wenig Grünflächen der Hitze in Innenräumen deutliche stärker ausgesetzt und nicht jeder kann sich eine Klimaanlage leisten.
Deshalb wird der Klimaschutz für mich als Stadtverordneter oberste Priorität haben. Dazu gehören gleichermaßen Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, wie zum Beispiel eine fossilfreie Energie- und Wärmeversorgung zu ergreifen. Aber auch Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel will ich voranbringen, z.B. das Schwammstadtkonzept für Potsdam anzuwenden, um mehr Wasser im Stadtgebiet speichern zu können und zusätzlich kühlende Grünflächen zu schaffen.
Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?
Dach-PV-Anlagen sind ein wichtiger Baustein, um eine fossilfreie Energieerzeugung zu erreichen. Die Instrumente zur Förderung des Ausbaus im Innenstadtbereich sind vielfältig und reichen von der Überprüfung von Gestaltungs- und Denkmalschutzsatzungen, um mögliche Barrieren abzubauen. Bestehende Förderprogramme können sozial gestaffelt werden, damit Menschen noch stärker unterstützt werden, die sich die Eigenversorgung aktuell nicht leisten können. Die Stadt selbst kann mit ihren zahlreichen kommunalen Gebäuden noch viel mehr Dachfläche für PV-Strom nutzen. Aber auch die städtische Unterstützung von Mieterstromprojekten und die Kooperation mit Bürgerenergiegenossenschaften können dazu beitragen, dass die Erzeugung von erneuerbarem Strom vor Ort ausgebaut wird und Bürgerinnen und Bürger direkt von den wirtschaftlichen Vorteilen profitieren. Darüber hinaus wird Potsdam damit auch seiner Verantwortung gegenüber den ländlichen Regionen Brandenburgs gerecht, seine Energieerzeugung nicht nur in andere Regionen auszulagern, sondern vor Ort so weit es geht das eigene Potential auszuschöpfen.
Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam.? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?
Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, dass Potsdam bis 2035 fossilfrei werden soll, ist ein wichtiger Erfolg auf Initiative von uns Bündnis90/Die Grünen. Damit hat endlich eine politische Mehrheit erkannt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur klimapolitisch notwendig, sondern mit der EWP als kompetenten Partner technisch möglich und zur zukünftigen sicheren und bezahlbaren Energie- und Wärmeversorgung unumgänglich ist. Bei der Umsetzung wird es als Stadtverordneter meine Aufgabe sein, nach Lösungen zur Finanzierung zu suchen und die Prioritäten entsprechend zu setzen. Nach eigener Aussage der EWP sind die erforderlichen finanziellen Mittel zwar vorhanden, doch stehen sie der EWP durch die Querfinanzierung u.a. der Verkehrsbetriebe nicht zur Verfügung. Dafür muss eine tragfähige und verlässliche Lösung gefunden werden. Auch Entscheidungen für eine evtl. notwendige Bürgschaft durch die Stadt für die Investitionen der EWP in die Energie- und Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien kann ich als Stadtverordneter beeinflussen. Klar ist, dass die EWP in die Lage versetzt werden muss, die Energie- und Wärmeversorgung im gesamten Stadtgebiet zügig fossilfrei zu gestalten. Sei es durch den Ausbau des Fernwärmenetzes oder durch passgenaue lokale Lösungen für einzelne Quartiere.
Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürgern bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?
Kernelement, um den Bürgerinnen und Bürgern Potsdam Orientierung bei der Umgestaltung der Wärmeversorgung zu geben, ist Kommunikation und Transparenz. Mit der Energieleitplanung ist bereits ein wichtiger Prozess angestoßen, doch vielen Menschen ist nicht bekannt, dass es diesen Prozess gibt, was das Ziel ist, welche Möglichkeiten und Alternativen sich als Ergebnis vor Ort ergeben können und wie die zeitliche Planung dafür aussieht. Wo sich bereits nach aktuellem Stand einzelne Lösungen als wahrscheinlich abzeichnen oder auch ausgeschlossen werden können, muss dies frühzeitig an die Bürgerinnen und Bürger bzw. an die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer kommuniziert werden, um Orientierung zu geben und vorschnelle Fehlinvestitionen zu vermeiden. Sozialverträglich kann die Umgestaltung aus meiner Sicht nur geschehen, indem sie als gemeinschaftliches Projekt zur öffentlichen Daseinsvorsorge angesehen und ausgestaltet wird. Dabei müssen auch die Chancen stärker in den Vordergrund gestellt werden, wie jeder langfristig auch finanziell von der Umgestaltung profitieren kann. Sowohl auf der kommunalen, wie auch auf der übergeordneten Ebene werde ich mich politisch dafür einsetzen, dass Förderprogramme noch viel stärker sozial gerecht ausgestaltet und Mieterinnen und Mieter nicht übermäßig belastet werden, aber von den Vorteilen ausreichend profitieren können.
Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?
Wohnraum mit dauerhaft sozialverträglichen Mieten wird in Potsdam vor allen durch städtische Immobilien und durch die Genossenschaften gewährleistet. Das heißt für die Zukunft, dass Immobilienverkäufe an private Investoren ausgeschlossen werden sollten, damit die Stadt sowohl für Bestandsimmobilien als auch für Neubauten langfristig Einfluss auf die Mietpreise nehmen kann. Um im Bausektor die Klimaschutzziele der Stadt zu erreichen, muss der Gebäudebestand besser genutzt werden, um insbesondere Abriss zu vermeiden. Auch der Neubau muss umweltfreundlicher werden, indem sowohl die Bauweise als auch die verwendeten Baustoffe möglichst wenig klimaschädlich sind. Als Stadtverordneter werde ich mich dafür einsetzen, die Bedingungen für eine ökologische Bauwende auf kommunaler Ebene zu schaffen bzw. auszubauen. Damit insbesondere in neuen Wohngebieten, wie z.B. Krampnitz, die Klimabilanz der Stadt nicht zusätzliche belastet wird, ist aber auch die Infrastruktur so umzusetzen, dass die Klimaschutzziele eingehalten werden können. So muss die Energie- und Wärmeversorgung von vornherein fossilfrei sein, auch um dauerhaft die Nebenkosten möglichst niedrig zu halten. Aber auch die Stadtplanung muss auf möglichst verkehrsarme Lösungen setzen, um im Verkehrssektor die Klimaschutzziele zu erreichen und sozialverträglich zu sein. Dazu gehört unter anderem, dass Wohn-, Arbeits-, Einkaufs-, Freizeit- und Bildungseinrichtungen zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV gut erreichbar sind. Dadurch wird das Klima geschont und Menschen sind im Alltag sicher und bequem mobil, auch wenn sie sich kein eigenes Auto leisten können.
Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?
Insgesamt setze ich mich für mehr Gerechtigkeit bei Investitionen in den Verkehr und bei der Aufteilung des Straßenraums ein. Die Umsetzung der bestehenden Konzepte für den Fußverkehr und den Fahrradverkehr muss eine höhere Priorität bekommen. Dazu müssen entsprechende Gelder im Haushalt hinterlegt und personelle Ressourcen organisiert werden. Auch für weitere Forderungen aus unserem Wahlprogramm werde ich mich einsetzen:
• Wer zu Fuß geht, soll geschützte Fußwege zur Verfügung haben und Straßen leicht queren können. Radfahrende sollen sich sicher und zügig auf möglichst angemessen breiten Radwegen zwischen den Stadtteilen fortbewegen können. Ampelschaltungen sollen auch die Bedürfnisse des Rad- und Fußverkehrs berücksichtigen.
• Mehr »grüne Wellen« für Radfahrende und auch andere Ampelschaltungen und Verkehrsführungen, sodass Radfahrende gleich gut vorankommen wie Autos.
• Beschleunigte Realisierung der geplanten Radschnellwege nach Krampnitz, Werder, Berlin, Stahnsdorf und Teltow.
• Weitere Umsetzung des Uferwege-Konzepts für Fuß- und Radverkehr.
• Mehr und sicherere Möglichkeiten, Fahrräder abzustellen, an Haltestellen möglichst auch bedacht und (mit Solarstrom) beleuchtet.
• Erhöhung der Fahrradfreundlichkeit auch auf Natursteinpflasterstraßen. Um einen maximalen Nutzen bei minimalen Kosten zu erreichen, sollen hierzu standortspezifische Lösungen gefunden werden.
• Weiterführung der erfolgreichen Maßnahmen zum Ausbau der Abstellanlagen und zur Förderung von Leihrädern.
• Das Zuparken von Fahrradwegen soll konsequent geahndet werden.