Silke Reimer
Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?
Der fortschreitende Klimawandel ist das Thema, das mich dazu bewogen hat, politisch aktiv zu werden. Daher ist es auch das zentrale Thema meiner politischen Arbeit – unabhängig davon, ob ich in die SVV gewählt werden oder nicht. Die vergangenen Jahre haben bereits gezeigt, dass Potsdam stark vom Klimawandel betroffen ist. Besonders sichtbar ist das an den alten Bäumen in Potsdam, die unter der anhaltenden Dürre leiden. Der Verlust der großen Rotbuche auf der Freundschaftsinsel ist nur ein besonders eindrückliches Beispiel dafür – leider aber längst nicht das einzige. Die Anzahl der Hitzetage nimmt zu. Städte sind davon stärker betroffen, weil die Bebauung die Hitze speichert. Insofern leiden auch in Potsdam viele Menschen unter der Hitze. Ganz besonders gilt das für bestimmte Personengruppen wie Ältere, Kinder, Kranke und Personen, die körperliche Arbeit im Freien verrichten. Stadtgrün sorgt für Kühlung und auch deshalb ist es wichtig, unser grünes Potsdam nicht nur zu erhalten, sondern den Baumbestand weiter zu erhöhen. Neben Dürre und Hitze ist in Potsdam auch mit Extremwetterereignissen wie Starkregen zu rechnen. Wir müssen die Stadt so planen, dass Wasserschäden verhindert werden und gleichzeitig möglichst viel Regen in der Stadt gehalten wird. Es ist also notwendig, dass Potsdam in Maßnahmen zur Klimaanpassung investiert. Aber dabei darf es nicht bleiben. Denn Potsdam hat auch einen Anteil an den Treibhausgasemissionen, die das Problem zukünftig weiter verschärfen. Es geht in den nächsten Jahren darum, diese Emissionen möglichst schnell und konsequent auf Null zu bringen.
Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?
Bei der Dekarbonisierung der Stromversorgung kommt es darauf an, die bisher auf Verbrennung basierende Energieversorgung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Wenn das gelingen soll, müssen wir alle verfügbaren Flächen und Mittel nutzen. Allein deshalb ist der Ausbau an Dach-PV-Anlagen ein wesentlicher Bestandteil. Hinzu kommen weitere positive Effekte durch eine lokale Produktion auf dem eigenen Dach: Lokal produzierter und genutzter Strom entlastet das Stromnetz, er ist besonders günstig für den Verbraucher und nicht zuletzt hat der selbst produzierte Strom oft den Effekt, dass der Stromverbrauch bewusster stattfindet: Die Bürgerinnen werden damit zu Energiemanagerinnen in eigener Sache. Mieterstrommodelle und Bürgerenergiegesellschaften können dabei helfen, die Finanzierung von potenziellen Dach-PV-Anlagen zu gewährleisten und alle davon profitieren zu lassen. Satzungen, die die Genehmigung von Dach-PV-Anlagen verhindern, müssen angepasst werden. Damit kann sichergestellt werden, dass Erneuerbare Energien einen Vorrang vor anderen Belangen haben – so wie es die Bundesgesetzgebung mit den neu verfassten EEG vorsieht.
Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam.? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?
Der Beschluss zeigt, dass die Stadtverordnetenversammlung hinter den Plänen der EWP steht, die Energie- und Wärmeversorgung bis 2035 vollständig fossilfrei umzubauen. Die Chancen dafür stehen gut, weil das Heizkraftwerk Süd bis 2035 vollständig ersetzt werden muss. Schon wegen der Versorgungssicherheit ist also vollkommen klar, dass hohe Investitionen auf die EWP und damit auf die Stadt als Anteilseigner der EWP zukommen. Das ist zunächst vollkommen unabhängig davon, ob die neue Infrastruktur auf erneuerbaren Energien basiert oder nicht. Ein Glücksfall ist die Tatsache, dass die aktuelle Gesetzeslage und Förderbedingungen sorgen dafür, dass eine Infrastruktur, die auf Erneuerbaren Energien aufbaut, der ökonomisch sinnvollste Weg ist. Das liegt auch daran, dass die EWP sich aktuell auf Förderprojekte bewerben, die eine Förderquote von circa 80% ermöglichen würden. Die Herausforderung wird dennoch darin bestehen, die Finanzierung zu garantieren. Das liegt daran, dass die Auszahlung der Gelder erst nach Inbetriebnahme der Anlagen über mehrere Jahre gestreckt erfolgen wird. Daher muss die Investitionssumme zunächst zwischenfinanziert werden. Letztendlich geht es dabei um einen Eigenanteil von ca. 50 Millionen Euro, den die Stadt zu tragen hat. Aufgabe der Stadtverwaltung ist es, ein Finanzierungskonzept zu erarbeiteten. Die Aufgabe der zukünftigen Stadtverordneten wird es sein, dafür zu sorgen, dass diese Diskussion transparent geführt wird, so dass eine Priorisierung von Ausgaben bewusst vorgenommen wird. Mir persönlich sind dabei zwei Aspekte wichtig: Erstens, Die Qualität des ÖPNV soll unter diesen Investitionen nicht leiden. Zweitens, ein Verkauf oder Teilverkauf der EWP zur Finanzierung der Projekte kommt für mich nicht in Frage. Eine weitere Chance sehe ich in der Beteiligung der Potsdamer Bürger an der Finanzierung der neuen Energieinfrastruktur. Ich wünsche mir, dass die EWP Möglichkeiten schafft, sich an den Investitionen für einzelne Teilprojekte beteiligen kann – sei es als Privatperson oder über eine Bürgerenergiegenossenschaft.
Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürgern bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?
Der bereits in die Wege geleitete Energie- und Wärmeleitplan der Stadt Potsdam ist notwendig, um zu wissen, welche Wärmeversorgung für jeden in Zukunft der geeignete Weg sein wird. Die Erstellung eines solchen Plans braucht Zeit. Wichtig ist aber, dass Zwischenergebnisse kommuniziert werden, die den Bürgern deutlich machen, welche Optionen für ihren Stadtteil in Frage kommen. Manchmal macht ein Fernwärme-Ausbau wegen der geringen Bebauungsdichte keinen Sinn. Das gilt z.B. für Teile des Potsdamer Nordens. In anderen Stadtteilen wiederum ist das eine valide Option, etwa in der Brandenburger Vorstadt und Babelsberg Nord. Ein Ausbau der Fernwärme ist wird umso günstiger, je mehr Haushalte eines neu erschlossenen Gebiets an das Wärmenetz angeschlossen werden, weil sich die Kosten dann auf viele Schultern verteilen. Es wird daher wichtig sein, Anreize für den Anschluss an ein Wärmenetz zu schaffen.
Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?
Zwei Effekte sorgen dafür, dass der Umbau der Fernwärme auf erneuerbare Energien dafür sorgt, dass die Warmmieten auch mittel- und langfristig sozialverträglich bleiben: Erstens: Der CO2-Preis wird in den nächsten Jahren massiv ansteigen. Das schlägt sich in den Energiepreisen nieder, solange der Energieversorger auf fossile Verbrennung setzt. Zweitens: Bestimmte Fördertöpfe im sozialen Wohnungsbau können nur dann ausgeschöpft werden, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeversorgung hoch genug ist. Basiert die Fernwärme auf fossilen Energien, hat die Wohnungswirtschaft nur zwei Optionen: Entweder muss sie auf diese Fördertöpfe verzichten und damit weniger sozialverträgliche Wohnraum schaffen oder sie baut trotz vorhandenem Fernwärmenetz eigentlich unnötige Wärmepumpen ein. Das jedoch treibt die Baukosten und damit auch die Kaltmieten nach oben. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Umbau der Fernwärme auf erneuerbare Energien die Grundlage dafür ist, dass sozialverträgliche Mietpreise möglich sind.
Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?
Eine Reihe von wichtigen Maßnahmen zur Förderung des Fuß- und Radverkehrs in der Potsdamer Innenstadt wurde letztes Jahr mit dem Innenstadtkonzept „Verkehrsräume neu denken“ beschlossen. Wichtig ist nun als erstes, dieses Konzept möglichst konsequent und zügig umzusetzen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen sollten genutzt werden, das Konzept sukzessive weiterzuentwickeln. Es ist zum Beispiel noch unklar, ob die im Konzept vorgeschlagenen Möglichkeiten zur Querung des Gebiets durch Fahrradfahrer ausreichen. Ebenfalls müssen die Bedingungen unter denen notwendiger Autoverkehr stattfinden kann, im Detail angepasst werden. Ähnliches gilt für den Masterplan Schlaatz 2030, der z.B. durch Quartiersgaragen den Autoverkehr im Viertel reduziert und damit Menschen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, mehr Raum gibt. Solche und ähnliche Konzepte sollten auch für anderen Stadtteile entwickelt werden, um Fußgängern und Fahrradfahrerinnen den notwendigen Raum zu geben. Eine zweite wichtige Komponente der Verkehrspolitik ist die Mobilität zwischen den Stadtteilen. Dazu braucht es einerseits Radwegenetze, auf denen die Menschen sich durchgängig sicher bewegen können, andererseits einen gut ausgebauten ÖPNV. Für die nicht vermeidbaren Autofahrten und Parkmöglichkeiten z.B. für Handwerker und mobilitätseingeschränkte Personen ist damit ebenfalls mehr Platz auf den Straßen. Die dafür notwendigen Konzepte (StEK-Verkehr, Radverkehrs- und Fußwegekonzept) sollen demnächst überarbeitet werden. Ich möchte aktiv daran mitarbeiten, dass die oben genannten Ideen in den Konzepten festgehalten werden. Ebenfalls werde ich mich für die ausreichende Finanzierung zur Umsetzung dieser Konzepte einsetzen.