Saskia Hüneke

Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?

Der Klimawandel ist eine Bedrohung, das gilt im globalen Rahmen genauso wie in den einzelnen Gemeinden. Deshalb braucht die Umsetzung der Beschlüsse zum Klimaschutz hohe Priorität. Nur, wenn wir das beachten, können wir die in Potsdam lebenden Menschen vor unnötigen Kostensteigerungen bewahren. Das ist eine eminent soziale Frage. Gleichzeitig gilt es, alle finanziellen Möglichkeiten so auszuschöpfen, dass der bestmögliche Klimaeffekt erzeugt wird, beispielsweise effiziente Wärmekonzepte, Co2-arme Mobilität, Vernässung von Mooren. Die Kommune kann das nicht allein stemmen, hier müssen alle Ebenen zusammenarbeiten, bürgerschaftliches Engagement ist ebenso wichtiger denn je.

Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?

Der Ausbau von PV-Anlagen ist zentral für die Erreichung der Potsdamer Klimaschutzziele und die Stromwende. Es gilt, stadtweit möglichst effiziente Wege zu gehen. Dazu müssen sowohl die PV-Anlagen im ländlichen Raum beitragen, aber auch viele der großen Flachdachgebäude in allen Stadtteilen, die bisher viel zu wenig beachtet werden. Mieterstrom und die Gründung von Bürgerbeteiligungsgesellschaften sollten diese Flächen über Kooperationen nutzen können. Auch in den Innenstadtbereichen gibt es Potentiale, die sich mit den bestehenden Gestaltungsund Denkmalbereichssatzungen vertragen. Ob weiterführende Veränderungen der Satzungen und daraus folgende Verluste von Altbausubstanz zu effizientem Klimaschutz führen würden, ist fraglich. Grundsätzlich ist die Denkmalpflege eine Verbündete des Klimaschutzes, da sie für lange Lebensdauer von Gebäuden und ihrer Materialien sorgt. Hier geht es nicht einfach um Bürokratie, eine genaue Einzelfallbetrachtung ist von beiderseitigem Interesse.

Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?

Auf unsere Initiative hin hat die Stadtverordnetenversammlung Anfang des Jahres beschlossen, dass Potsdam bis 2035 fossilfrei werden soll. Die EWP hat in den letzten beiden Jahren enorme Fortschritte gemacht, die erste Tiefengeothermie ist ein großer Erfolg. Es hat sich gezeigt, die EWP ist ein starker Partner für die Energiewende. Es ist erforderlich, dass die Stadtwerke, zu denen die EWP, die Verkehrsbetriebe und die Bäderlandschaft gehören, sowie die Stadtverwaltung tragfähige Finanzierungskonzepte entwickeln. Der Ausbau des Umweltverbundes ist beispielsweise ebenfalls ein wichtiges Klimaziel, es kann also nicht um ein entweder oder gehen. Wir müssen lernen, in einem fortschreitenden Prozess in vielen Schritten jeweils die beste Gelegenheit zu ergreifen. Dazu fordern wir einen konzeptionellen Überblick und damit einhergehend Transparenz, in der Haushalt, Förderprogramme und Kreditmöglichkeiten zusammengeführt werden.

Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürger*innen bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?

Die Kommunale Wärmeplanung wird jeweils standortbezogen die Grundlage für eine sofortige Ausführungs- und Genehmigungsplanung inkl. Ausfinanzierung thematisieren. Dadurch wird es deutlicher, welche Stadtteile an die Fernwärme angeschlossen werden können, und wo andere Lösungen gefunden werden müssen. Dies sollte beispielsweise für Stadtteile wie Potsdam West und Babelsberg Nord geklärt werden. Für die Bereiche, die nicht an die Fernwärme angeschlossen werden können, gilt es ortsspezifische Lösungen zu erarbeiten und ggf. genossenschaftliche Initiative zu unterstützen und konzeptionell zu kooperieren.

Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?

Hier schließe ich mich Andreas Walter an: Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen. Wenn wir es nicht schaffen unsere Fernwärme klimaneutral zu machen, würden erhebliche Investitionen der Wohnungswirtschaft in deutlich höheren Dimensionen (vor allem durch ProPotsdam und private Hausbesitzer) nötig und Warmmieten massiv in die Höhe getrieben. Der Bau neuer Gebäude braucht viele Ressourcen, daher muss der Neubau so nachhaltig wie möglich gestaltet werden. Hier gelten bereits hohe Standards. In der Stadtentwicklung haben wir das Dilemma, dass Wohnungsneubau meist Grünflächen verbraucht. Auch Nachverdichtung schmälert umgebende Grünräume, verringert Lebensqualität. Hier wird es immer wieder um Abwägungen gehen müssen: Ist ein Standort gut erschlossen wie manche Garagenareale, der Schlaatz oder auch Golm, sind Neubau und Verdichtung eher vertretbar. Andere Standorte wie die Lennésche Feldflur werden immer eine Tabuzone bleiben, in der sich die Natur entfalten kann.

Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?

Potsdam hat mit seinem Straßenbahnnetz, den Busverbindungen und dem Radwegenetzt bereits gute Voraussetzungen für eine klimafreundliche Mobilität. Die entsprechenden Konzepte (STEK Verkehr, Fußverkehr- und Radverkehrskonzept) müssen weiterentwickelt und umgesetzt werden. Mehr „grüne Wellen“ fürs Rad, gerechte Aufteilung des Straßenraumes und der Ampelschaltungen, sichere Radwege, mehr Radschnellwege, barrierefreie Querungen, mehr Tempo 30-Areale, bessere Einbindung in den Regionalverkehr etc. sind wichtige Maßnahmen einer umweltfreundlichen und sicheren Mobilität. Uns geht es dabei um die Gesamtstadt, und darum, mit öffentlichen Mitteln einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Die o.g. Maßnahmen zur Stärkung des Umweltverbundes entlasten zugleich die dicht bewohnten Stadtviertel. Das gilt auch bzw. in besonderem Maße für die Potsdamer Innenstadt, in der gerade der Modellversuch stattfindet. Sie ist mit Rad, Bus und Bahn sehr gut erreichbar, für Autos stehen mehrere Parkhäuser am Rande zur Verfügung. Straßen sind nicht nur Verkehrswege, sondern Aufenthaltsräume. Das Viertel ist durch eine hohe Qualität und Schönheit ausgezeichnet, die erst jetzt beim Modellversuch wieder erlebbar wird. Diese Eigenschaft wollen wir weiter stärken und sind überzeugt, dass das dem Handel, aber auch dem einfachen Aufenthalt zugutekommen wird.