Robert Witzsche

Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?

Als Bedrohung sehe ich den Klimawandel nicht – durchaus aber als Herausforderung. Je nachdem, in welchem Umfang wir als Gesellschaft in den nächsten Jahren auf die klimatischen Veränderungen reagieren können, werden sich viele Herangehensweisen und Denkweisen ändern müssen. Das fängt im kleinen, persönlichen Rahmen an und reicht bis zu globalgalaktischen Fragestellungen, auf die wir in Potsdam keine Einflüsse nehmen können. Als Stadtgesellschaft müssen wir die Auswirkungen des Klimawandels stets im Blick behalten und in einem kooperativen Miteinander Lösungen für die Herausforderungen entwickeln. In unserem urbanen Raum stehen hier vor allem auch Fragen zum Hitzeschutz, zum Umgang mit Wassermangel und zu den sozialen Auswirkungen im Fokus. Für die Kommunalpolitik muss das bedeuten, jede Entscheidung, die in der SVV getroffen wird, auch – und ganz besonders – unter dem Aspekt des Klimawandels zu betrachten. Das findet vielfach jetzt schon statt, muss aber noch viel intensiver umgesetzt, kommuniziert und auch reflektiert werden. Für mich ist Klimaschutz immer präsent – auch wenn ich ihn nicht extra betone. Eine nachhaltige und ressoucenschonende Stadtentwicklung ist möglich – und manchmal müssen sich dafür Dinge ändern.

Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?

Innerstädtische Solaranlagen spielen für mich eine ebenso wichtige Rolle wie Solar- oder Windparks im ländlichen Raum – jeder Standort hat seine eigenen Herausforderungen. Im innerstädtischen Bereich braucht es einen vor allem einen flexibleren Umgang mit den Themen Denkmalschutz oder Gestaltungssatzungen – aber auch die technischen Rahmenbedingungen müssen entwickelt werden. Bei sichtbaren Dach- oder Balkon-PV-Anlagen im Denkmalschutz-Bereich wird es individuelle Abwägungen geben müssen. Hierfür kann die Stadtverwaltung in einem Beteiligungsprozess einen Leitfaden mit wichtigen Eckpunkten erstellen, der bei individuellen Entscheidungen für größtmögliche Transparenz sorgt. Darüber hinaus gibt es inzwischen auch technische Entwicklungen (z.B. Solarziegel), die auch hohen Denkmalschutz-Anforderungen gerecht werden können. Auch hier braucht es eine ständige Reflektion und Weiterentwicklung der Vorgaben.

Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?

Die Politik kann und muss den Rahmen für die Energiewende setzen. Die eigentliche Umsetzung muss durch die Energieunternehmen und die Immobilienbesitzer*innen konsequent angegangen werden. Die Kombination aus beidem wird zu großen Herausforderungen führen – finanziell, strukturell und auch kommunikativ. Hier müssen Politik und Wirtschaft auf allen Ebenen offen und konstruktiv zusammenarbeiten und auch gemeinsam kommunizieren. Die Energie- und die Wärmewende sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nur in Miteinander zu bewältigen sind. Technologisch gibt es inzwischen eine Menge an guten Lösungsansätzen – hier braucht es weiterhin Mut und Kraft, innovativ in die Zukunft zu denken. Und bei den Finanzen sollten wir nicht nur nach vorn gucken und überlegen, wie wir die zu erwartenden Kosten auf Bürger*innen und Mieter*innen aufteilen, sondern auch berücksichtigen, welche Gewinne vor allem die Energieunternehmen in den letzten Jahrzehnten gemacht haben. Diese müssen aus meiner Sicht wesentlich in die Pflicht genommen werden. Auch hier kann und muss die Politik auf allen Ebenen eine klare Haltung zeigen.

Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürger*innen bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?

Hauptaufgabe der Landeshauptstadt wird es sein, die nötigen Veränderungen proaktiv zu begleiten und in den eigenen Bereichen und Unternehmen voran zu treiben. Die Potsdamerinnen und Potsdamer müssen dabei mitgenommen werden – mit Informations- und Beteiligungsprozessen von Anfang an. Eine kommunale Anlauf- und Beratungsstelle, z.B. in Kooperation mit der ProPotsdam und den Stadtwerken, kann die Bürger*innen beraten, unterstützen und bei der Umgestaltung begleiten. Hier gilt es auch, voneinander zu lernen – gute Lösungsansätze zu teilen und Fördermittel effektiv einsetzen. Der Umbau kann gelingen, wenn alle Hand in Hand arbeiten, gut miteinander kommunizieren und ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um die Kosten sozial gerecht abzufedern.

Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?

Gäbe es hier ein Patentrezept, wäre dies ganz sicher schon in der Umsetzung. Ich glaube, es braucht hier viele verschiedene Bausteine, die ineinander greifen. Für einige Dinge brauchen wir Bund und Land, andere können wir selbst angehen. Zu allererst müssen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die stetig steigenden Mieten wehren. Es braucht einen Milieuschutz für Mietwohnungen in allen Potsdamer Stadtgebieten, der die Umwandlung in Eigentumswohnungen mindestens erschwert. Wir sollten den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau stärken, statt Bauflächen günstig an Investoren zu verkaufen. Gerade in Krampnitz sollte unbedingt nochmal genau hingeschaut werden, inwiefern Potsdamerinnen und Potsdamer hier anstelle von Großkonzernen investieren können. Und wir sollten mit einem offensiven Programm dafür sorgen, dass bereits versiegelte Flächen – z.B. die große Anzahl an Supermarkt-Parkplätzen – genutzt werden, um neuen, mietpreisgebundenen Wohnraum zu schaffen. Hierfür gibt es bundesweit viele gute Beispiele.

Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?

Ich bin großer Fan von autoarmen oder autofreien innerstädtischen Zonen, sehe aber auch die Herausforderungen. Zu allererst geht es auch hier um Kommunikation und Beteiligung. Politik und Verwaltung muss den Menschen zuhören und ihre Anliegen ernst nehmen. Das ist zuletzt häufig zu kurz gekommen. Und dann braucht es Angebote, die es den Menschen leicht machen, mit solch weitreichenden Veränderungen umzugehen. Die Krampnitz-Planung mit kostenfreien Quartiersparkhäusern in Verbindung mit gut gedachtem ÖPNV könnte hier Vorbild sein. Und auch der Blick nach Italien oder Spanien kann helfen – hier sind viele Innenstädte schon lange komplett autofrei. Spontan könnte ich mir zum Beispiel eine elektrisch betriebene Citybus-Linie vorstellen, die in einem vernünftigen Takt die Parkhäuser rund um die Innenstadt miteinander verbindet und allen, die auf’s Auto angewiesen sind, die Möglichkeit gibt, ohne lange Fußstrecken alle Ecken der Innenstadt zu erreichen. In Verbindung mit kostenlosem ÖPNV für alle könnte das den Individualverkehr nicht nur in der Innenstadt stark verringern.