Maximillian Große-Wortmann
Frage 1: Inwieweit stellt der Klimawandel nach Ihrer Auffassung eine Bedrohung für die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt und das Leben der Bürger*innen dar und welche Priorität wollen Sie dem Klimaschutz im Rahmen Ihrer Arbeit als Stadtverordnete(r) einräumen?
Der Klimawandel stellt meines Erachtens eine Zäsur für die Weiterentwicklung der Stadt dar. Wir merken bereits, dass der Aufenthalt in der Innenstadt zunehmend zu einer Belastung für die Bürger*innen wird. Es gibt dort nicht genügend Schatten, um zum Verweilen und Flanieren einzuladen. Das ist sehr schade, weil die Bürger*innen somit weniger in den Genuss ihrer eigenen Stadt kommen. Gleichsam wirkt sich die mangelnde Kompensation der Überhitzung der Innenstadt wirtschaftlich nachteilig auf den lokalen Einzelhandel aus. Letzterer hat ohnehin mit der Onlinehandel-Konkurrenz zu kämpfen und der Klimawandel setzt dem ganzen nachträglich zu. Um dem entgegenzuwirken, möchte ich mich zum Beispiel für grüne Schattensegel in der Innenstadt einsetzen. Darüber hinaus schwächt der Klimawandel auch die Stadt Potsdam als sozialen Raum. Wenn potenzielle Begegnungen ausbleiben, weil öffentliche Räume kürzer frequentiert werden (oder gar nicht), dann werden sich die Potsdamer*innen untereinander weniger vernetzen. Auf der einen Seite bedeutet das auch, dass Geflüchteten die Möglichkeit erschwert wird, sich integrieren zu können und Potsdam sowie die Stadtkultur kennenzulernen. Auf der anderen Seite wiederum haben die Bürger*innen weniger Chancen, mögliche Vorurteile gegenüber Geflüchteten zu hinterfragen und abzulegen. Wirtschaft ist auch eine Praxis sozialer Interdependenzen. Stichwort “Zäsur”: Wir müssen unser Fundament aktualisieren und unsere Stadt klimafest machen: Das bedeutet Investition in die Bürger*innen und in die Infrastruktur und in klimaschützende Maßnahmen. Damit wird sich kurzfristig vielleicht kein wirtschaftlicher Ertrag erzeugen lassen, aber dafür können wir langfristig und nachhaltig wieder aus dem Vollen schöpfen. Klimaschutz ist also ein Thema, welches in meiner potenziellen Arbeit in der SVV unbedingt mitgedacht wird.
Frage 2: Welche Rolle messen Sie Dach-PV-Anlagen zur Dekarbonisierung der Stadtgesellschaft bei? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Ausbau von Photovoltaik insbesondere zur günstigen Eigenversorgung mit Strom auch im Innenstadtbereich zukünftig leichter möglich wird?
Sie haben in Ihrer Einleitung zu dieser Frage bereits den Denkmalschutz und die Gestaltungssatzung erwähnt. Ich denke, dass auch diese bürokratischen Götzen dringend aktualisiert werden müssen und Raum bieten sollten, entsprechende Modernisierungen vorzunehmen, um zum Beispiel Gebäude zu dämmen und um undichte Fenster erneuern zu dürfen oder um Dach-PV-Anlagen zu installieren. Mir scheint, man warte hier auf Godot, im Sinne einer rettenden Technologie, die mal aller Kürze effektiv und bequem eingesetzt werden kann. Aber bis es soweit ist (und wer weiß, ob es dann nicht schon zu spät ist) sollten wir nutzen, was wir haben. Dach-PV-Anlagen sind eine Maßnahme, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und um die Stromkosten zu senken. Für einen erleichterten bürokratischen Zugang dazu setze ich mich gerne ein. Weiterhin denke ich, dass Feldheim als energieautarker Ort in Brandenburg ein gutes Best-Practice für Potsdam sein könnte, von dem wir uns bestimmt noch etwas abgucken können.
Frage 3: Welche Chance und Herausforderungen sehen Sie in dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum zügigen Aus- und Aufbau der erneuerbaren Energien als Herzstück einer bezahlbaren, sicheren und umweltverträglichen Energieversorgung in Potsdam? Wo sehen Sie Ihre Einflussmöglichkeiten bei der Umsetzung?
Die Chance sehe ich in einem klimaneutralen Fundament für künftige Wohnungsbauprojekte. Möglicherweise lassen sich während des 11 Jährigen Umstellungsprozesses auch Wege entdecken, die diesen Prozess beschleunigen oder sogar kostengünstiger gestalten. Die Herausforderung sehe ich wiederum darin, die Energiepreise während des Umstellungsprozesses nicht fluktuierend und teuer zu gestalten. Wenn 60% der Potsdamer Wohnung perspektivisch über 11 Jahre mit fluktuierenden Energiepreisen zu kämpfen haben, dann sorgt das sicherlich für Frust und Planungsunsicherheit und damit zu Sparmaßnahmen, welche sich wiederum negativ auf die Stadtwirtschaft auswirken. „Sozial verträglich“, wie es im Beschluss steht, ist dabei ein dehnbarer Begriff. Grundsätzlich begrüße ich allerdings diesen Beschluss und denke, dass es der richtige Weg zur Klimaneutralität ist.
Frage 4: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Potsdamer Bürger*innen bei der notwendigen Umgestaltung ihrer Wärmeversorgung Orientierung zu geben und wie kann der Umbau sozialverträglich bis 2045 gelingen?
Um den Bürgern dafür eine Orientierung zu geben, schlage ich vor, dass die entsprechenden Energieversorger transparent mit den Kunden sind. Das bedeutet zum einen, dass die Energieversorger den Prozess in leichter Sprache und ohne Branchenduktus den Bürger*innen nahe bringen, damit der Prozess nachvollziehbar und kundennah gestaltet wird. Zum anderen kann ich mir vorstellen, dass unverbindliche Preisänderungsprognosen zu einer Planungssicherheit der Bürger*innen beitragen könnten. Der Klimawandel zwingt uns bekanntermaßen zu einer umfassenden systemischen Änderung im Bereich der Energieversorgung, deswegen ist es wichtig, dass alle Bürger*innen über die Notwendigkeit, Vorteile, Nachteile und über den Prozess der Umstellung genauestens informiert sind, damit es den Potsdamer*innen leichter fällt den entsprechenden Institutionen bei einer solchen komplexen und umfangreichen Unternehmung zu vertrauen.
Frage 5: Mit welchen Ansätzen kann Potsdam den Bedarf an sozialverträglichem Wohnraum bedienen, ohne die selbstgesetzten Klimaschutzziele zu verletzen?
Eine schöne Stadt wie Potsdam hat gleich vier Stellschrauben, die das Thema Wohnraum schwierig gestalten. Erstens ist Potsdam, wie bereits erwähnt eine schöne Stadt, die ab Werk die Menschen anzieht (mich eingeschlossen). Zweitens beobachten wir ein Dorfsterben; die Menschen möchten in größere Städte ziehen. Potsdam, mit seiner Nähe zu Berlin, ist dafür ein hervorragender Ort. Gleichsam ziehen auch die Menschen, die in Berlin keine Wohnung finden, aber dort Arbeiten, eine Ausbildung haben oder studieren, auch gerne nach Potsdam. Drittens sorgt die Flüchtlingskrise für zusätzlichen Wohnbedarf. Viertens, wie Sie bereits erwähnt haben, sind die Baukosten in den letzten drei Jahren um 40% gestiegen. Um der nicht gerade kleinen Problematik Stirn zu bieten, denke ich, dass Neubauten möglichst Klimafest gebaut werden sollten. Das bedeutet, das Nutzen nachhaltiger Baumethoden, wie zum Beispiel mit Holz, einer Dachbegrünung mit PV-Anlagen und einer guten Infrastruktur mit sicheren Fahrradwegen. Als Kommunalpolitiker würde ich mich freuen, auch außerhalb der Stadtgrenzen zielführende Kooperationen mit umliegenden Kommunen gestalten zu können. Als Volt gucken wir ohnehin gerne über die Grenzen hinaus und schauen, was uns verbindet und wie wir gemeinsam die aktuellen Probleme lösen können. Klimaschutz und Wohnungsmangel sind dabei keine kleinen Probleme, warum also nicht zusammenarbeiten? 🙂
Frage 6: Mit welchen weiteren Maßnahmen möchten Sie den Fuß- und Radverkehr als Alternative zum motorisierten Individualverkehr in Potsdam insbesondere in der Innenstadt anreizen?
Als eine konkrete Lösung stelle ich mir das Etablieren von multimodalen Haltestellen vor. Das sind Haltestellen, die mehr als Tram und Bus anbieten, zum Beispiel Lastenrädern, Leihräder und Last-Mile E-Scooter. Damit ist eine flexiblere Gestaltung des Transportwegs zur Tag- und Nachtzeit möglich. Weiterhin denke ich, dass die Innenstadt autofrei werden sollte (Lieferverkehr, Rettungswagen, etc, natürlich ausgeschlossen). Klingt unverschämt, ich weiß, allerdings zeigen Berichte, wie aus Groningen, dass der Umsatz der lokalen Geschäfte deutlich steigt und sich die Bürger*innen länger in der Stadt aufhalten. Die Vorteile sind einleuchtend: Weniger Autos bedeuten auch weniger Lärm und vor allem mehr Platz für alle. Gleichzeitig trägt eine autofreie Stadt zu mehr Sicherheit bei und fördert die Sichtachsen. Insgesamt lässt sich dadurch ein produktiveres Stadtleben erreichen. Darüber hinaus wäre das eine Erleichterung, um mehr Fahrradwege und ein sicheres Fahrradnetz für Potsdam zu entwickeln. Kopenhagen wäre dafür ein geeignetes Best-Practice, von dem wir uns als Potsdamer noch etwas abgucken sollten. Weiterhin wären Park and Ride-Stationen eine wünschenswerte Ergänzung. Mit diesen Stationen können Autofahrer außerhalb der Innenstadt parken und den ÖPNV nutzen, um in die Innenstadt zu gelangen.